Lucas Norer Üb’ immer Treu’ und Redlichkeit?05.05 - 09.11. 2023 08:00 - 18:00

Standorte

Herrengasse 1
6020 Innsbruck

Geheime Staatspolizei – Staatspolizeistelle Innsbruck

Im Gebäude Herrengasse 1 befand sich zwischen Mai 1939 und Mai 1945 die Geheime Staatspolizei – Staatspolizeistelle Innsbruck. Hier waren etwa 60 Polizeibeamte und weitere 60 Personen (überwiegend Tiroler Herkunft) damit beschäftigt, vorab rassistisch und ideologisch definierte Gegner*innen des National­sozialismus und widerständige ausländische Zwangs­arbeiter*innen auszuforschen, Ermittlungen gegen sie einzuleiten, sie unter Anwendung von psychischer und physischer Gewalt zu verhören, Protokolle, Akten und Karteien anzulegen und deren weitere Behandlung festzulegen. Ihr Vorgehen unterlag keiner rechts­staatlichen Beschränkung. Unterstellt war die Gestapostelle Innsbruck dem Reichs­sicherheits­hauptamt in Berlin. Zu ihr gehörten auch Grenz­polizei­kommissariate am Brenner und in Bregenz mit Grenz­polizei­posten in Nauders, Feldkirch, Höchst und Lustenau.

Mehr als 3.000 Personen gerieten – häufig nach Anzeigen aus der Bevölkerung und durch Informationen von Spitzeln – in das Visier der Gestapo. Sie wurden zunächst in das Polizeigefängnis am Südtiroler Platz oder in die Haftanstalt des Landgerichts in der Schmerlingstraße eingeliefert und dort zur Verfügung der Gestapo gehalten. Eine Ausweichstelle betrieb die Gestapo in den Gasträumen des Schillerhofes in Mühlau. 1944 wurde im 1. Stock der Herrengasse ein neuer Zellentrakt eingebaut. Galten die Festgenommenen als staatsgefährlich, erfolgte entweder die Übergabe an die Justiz, die Verhängung von „Schutzhaft“ mit Deportation in ein Konzentrationslager oder die Einweisung in das Arbeitserziehungslager im Stadtteil Reichenau, wo die Gestapo auch politische Gegner festhielt und Hinrichtungen durchführte. Letzter Leiter der Staatspolizeistelle Innsbruck, die sich am 1. Mai 1945 auflöste, war der Salzburger Max Nedwed.

Schmerlingstraße 1
6020 Innsbruck

Oberlandesgericht Innsbruck, Landgericht Innsbruck

Im Gebäude Schmerlingstraße 1 befanden sich die für den Reichsgau Tirol-Vorarlberg zuständigen Justizbehörden des NS-Staates und die Haftanstalt. Bereits seit der Abschaffung der Demokratie in Österreich im Jahr 1933 arbeitete die Justiz nicht mehr nach rechtsstaatlichen Grundsätzen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1938 wurde die Justiz der nationalsozialistischen „deutschen Rechtspflege“ unterstellt. Politisch missliebige Jurist*innen wurden inhaftiert, versetzt oder pensioniert, ein früherer Präsident des Landesgerichts Innsbruck, Anton Larcher, vereidigte das verbliebene Personal auf Adolf Hitler. Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck wurde Oskar Stritzl. Im März 1945 gehörten dem für Tirol zuständigen Personal 87 Richter, elf Staatsanwälte und weitere 283 Beamte und Angestellte an. Ein zentrales Instrument der NS-Justiz war das „Sondergericht“. Es ahndete Verstöße gegen die mit Kriegsbeginn 1939 in Kraft getretenen „Kriegsverordnungen“, die radikales Vorgehen gegen jede Schwächung der deutschen Kriegsführung ermöglichten. Das Hören ausländischer Radiosender, Kritik und Spott („Heimtücke“), „volksschädliches“ Verhalten (Wirtschaftsvergehen), Hilfe für Deserteure („Wehrkraftzersetzung“) und der „verbotene Umgang mit Kriegsgefangenen“ waren mit Zuchthaus- oder Todesstrafe bedroht. Auch herkömmlich kriminelle Delikte wurden ideologisiert und vor dem Sondergericht verhandelt. Angeklagte hatten kaum Rechte. Sie konnten keine Berufung gegen Urteile einlegen. Richter des Sondergerichts Innsbruck fällten mindestens 30 Todesurteile, die in München vollstreckt wurden. Im Gebäude fanden auch Verhandlungen von Militärgerichten gegen Deserteure statt. Auch sie fällten Todesurteile, manche Deserteure wurden in Innsbruck (Paschberg) exekutiert. Wegen Bombenschäden mussten die Justizbehörden im Dezember 1944 in die Michael-Gaismair-Straße 1 übersiedeln.

Südtiroler Platz 14-16
6020 Innsbruck

Polizeidirektion Innsbruck, Staatliche Kriminalpolizei - Kriminalpolizeistelle

In den Gebäuden Südtiroler Platz 14-16 und Salurner Straße 2-4 befanden sich während der NS-Herrschaft (1938-1945) die Polizeidirektion Innsbruck, die Kriminalpolizeistelle, eine Polizeikaserne und ein Gefängnis. Von 1924 bis 1934 gehörte das Gebäude am Südtiroler Platz (ehemals Hotel Sonne) dem Verein Arbeiterheim und wurde von der Sozialdemokratischen Partei und der Gewerkschaft genutzt. Das austrofaschistische Regime beschlagnahmte das Gebäude im Februar 1934. Die Stadt Innsbruck vermietete es 1936 mit der Salurner Straße 2-4 an die Bundespolizeidirektion. Diese baute Kaserne und Gefängnis ein, wo u.a. Anhänger der NSDAP und der Sozialdemokratie inhaftiert wurden. Nach der Machtübernahme im März 1938 hielten die Nationalsozialisten hier christlich-soziale Politiker und Polizisten, Kommunist*innen, Sozialist*innen, Priester und andere „Staatsfeinde“, Jüdinnen und Juden, Rom*nja und Sinti*zze gefangen, um sie einzuschüchtern, der Gestapo zu übergeben, in Konzentrationslager einzuweisen oder zur Ausreise zu zwingen. Neuer Polizeidirektor wurde Adolf Franzelin, ihm folgte Hans Dornauer nach. Leiter der Kriminalpolizeistelle wurde Franz Gasser. Sie alle hatten bereits vor 1938 leitende Funktionen bei der Polizei inne. Die Kripo wurde rasch zu einem Instrument der NS-Politik: Neben der Aufklärung herkömmlicher Kriminalität fahndete sie nach Deserteuren und ihren Helfer*innen, entflohenen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter*innen. Sie führte die außergerichtliche Verfolgung von sozialen Randgruppen (u. a. von Jenischen) im Rahmen der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ durch. Nach Kriegsbeginn übten Tiroler Polizisten in besetzten Gebieten Besatzungsgewalt aus und bekämpften den antinazistischen Widerstand. 1944/45 bildeten einige Innsbrucker Polizisten eine Widerstandsgruppe, die an die Gestapo verraten wurde. Der Einmarsch amerikanischer Truppen rettete sie vor der Hinrichtung.

Roßaugasse 4
6020 Innsbruck

Lagerkomplex Reichenau


Im Innsbrucker Stadtteil Reichenau bestanden von 1941 bis 1945 fünf Barackenlager: je ein Kriegsgefangenen- und Zivilarbeiterlager der Stadt Innsbruck, je eines der Post und der Bahn sowie das Arbeitserziehungslager (AEL) der Gestapo. In jedem der fünf Lager starben Menschen. Sie alle dienten der Ausbeutung der Arbeitskraft der Häftlinge und Internierten bei Baustellen und Betrieben. Die Gestapo nutzte das AEL für unterschiedliche Zwecke: Ursprünglich war es als „Sammellager“ für italienische Arbeitskräfte die aus Deutschland geflohen waren und in Innsbruck von der Polizei aufgegriffen wurden, geplant. Schnell rückte ein zweiter Zweck in den Vordergrund: Das Lager als Ort der Bestrafung und Disziplinierung von geflohenen oder ungehorsamen Zwangsarbeitern aus Ost- und Südosteuropa sowie von Einheimischen, die den rigiden Arbeits- und Dienstpflichten des NS-Staates nicht folgen wollten oder konnten. Gemeldet wurden sie von Betrieben, Bürger­meistern, der Gendarmerie, den Grenz­polizei­kommissariaten und dem Arbeitsamt. Nach der Einweisung mussten die Häftlinge schwerste Arbeit leisten, waren Gewalt und schlechter Verpflegung ausgesetzt. Ab 1943 gerieten auch andere Verfolgte in das Lager, darunter politische Gegner*innen aus Tirol und Italien. Die Gestapo nutzte es zudem als Durchgangslager bei Deportationen von italienischen Jüdinnen und Juden nach Auschwitz. Durchschnittlich befanden sich etwa 500 Häftlinge im AEL, insgesamt lag ihre Zahl bei etwa 8.500. Mindestens 113 Menschen starben durch Gewalt und an den Haftbedingungen. Noch Ende April 1945 ordnete Max Nedwed, der Leiter der Gestapo Innsbruck, die Erhängung von acht russischen und ukrainischen Häftlingen an. Das AEL stand unter dem Kommando der Lagerleiter Georg Mott und Martin Schott. Die 60 Wachmänner kamen überwiegend aus Tirol, Vorarlberg und Südtirol.

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